Bearbeitung der undatierten Aufzeichnung eines unbekannten Autors über Sitten und Bräuche in Schweinheim von Josef Syndikus, im Januar 2008.

Die Erläuterung ist nach jedem vorgegeben Textpunkt in „kursiver“ Schrift zu finden.

Taufe

"Die Neugeborenen wurden ausnahmslos in der Kirche getauft. Mach beendetem Taufakt spielte der Organist auf der Kirchenorgel ein weltliches Musikstück (Marsch, Walzer) Diese Ehrung die mehr dem Paten als dem Täufling galt, wurde von jedem mit einem Trinkgeld belohnt."

Der Taufort war nicht immer die Pfarrkirche. Zu meiner Zeit (von 1930 bis heute) gab es auch Taufen im Haus. Meine älteste Tochter wurde 1951 im Haus getauft, die zweite Tochter 1955 in der Kirche.
Dass bei einer Tauffeier weltliches Orgelspiel erklang, halte ich für undenkbar. Allenfalls könnte sich so ein Vorgang während der Zeit des Nationalsozialismus zugetragen haben. Auch die Zahlung eines Drinkgeldes durch den Taufpaten könnte ein einmaliger Vorgang gewesen sein, aber kein Brauch.

Erste hl. Kommunion

"Der Taufpate hatte die Kommunionkerze zu kaufen. Wenn er in guten Verhältnissen lebte, kleidete er den Erstkommunikanten von Kopf bis Fuß. Alle erstkommunizierenden Knaben trugen früher Zylinderhüte."

Der Taufpate beschaffte üblicherweise die Kommunionkerze. Wenn er dann auch noch die Einkleidung des Kommunionkindes bezahlte, war das ein seltener Glucksfall für die Eltern des Kindes.
Wir wissen aus Fotos, dass vor der Jahrhundertwende (1800/1900) Kommunionkinder Hüte getragen haben, aber keine Zylinderhüte. Das war wohl ein Modetrend. Zu meiner Kommunionzeit, also um 1930 bis 1940 trugen die Buben Schirmmützen in marineblau mit nichttextilem, glänzenden Schild. Der Anzug für die Buben war eine Jacke und kurze Hose aus Bleylestoff. Beide Teile wurden in Übergröße beschafft, damit sie noch mindestens 2-3 Jahre getragen werden konnten. Dazu dunkle Kniestrümpfe und schwarze Halbschuhe. Für die meisten Kommunionkinder war das die ersten Halbschuhe ihres Lebens und durften nur Sonntags getragen werden.
Die Mädchen trugen knielange weiße Kleinder, einen kleinen weißen Kranz auf dem Kopf, weiße Kniestrümpfe und Spangenschuhe ebenfalls in weiß. Die weitere Ausstattung war ein neues Gesangbuch, eine weißer Rosenkranz und ein weißes Tüchlein.

Hochzeit

"Im Verlauf des Hochzeitmahles stehlen die an der Hochzeit teilnehmenden Männer den Brautschuh. Die Brautführerinnen müssen den Schuh suchen. Er kann mit Wein, Torte .... zurück gekauft werden. Wenn unter Schwestern die jüngere heiratet, dann muss diese der jungen Frau als Aussteuer eine Geiß kaufen.  Während des Hochzeitsmahles hat der Bräutigam die Gäste zu bedienen."

Hochzeitsbräuche waren in Schweinheim vielfältig je nach Stand und Vermögenslage. Brautführerinnen sind mir allerdings neu. Auch der Brauch mit der Geiß als Aussteuer von der älteren Schwester dürfte in Schweinheim ein sehr seltener Brauch gewesen sein.
Wenn er Bräutigam seine Gäste während des Hochzeitsmahles persönlich bediente, dann ist das m.E. kein Brauch, sondern Anstand.

Beerdigung

"Das Grab musste früher von den Nachbarn des Verstorbenen angefertigt werden. Von den Nachbarn wurde auch die Leiche zu Grabe getragen. Bei der Opferung im ersten Seelengottesdienste ging die Lichtfrau um den Altar und leget in der Regel vier Kreuze als Opfergeld auf den Altar nieder. Alle Anverwandten brannten während des Seelengottesdienstes Wachsstöcke (Opferkerzen) an."

Vor dem 20. Jahrhundert verstand man unter der Bezeichnung Nachbar den Ortsnachbar als Gemeindemitglied. Der Grabausheber, auch Totengräber genannt, konnte also auch irgend ein Ortsnachbar gewesen sein. Somit handelt es hier nicht um einen Brauch.
In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg – vielleicht war das schon 100 Jahre früher so -  beauftragte die Gemeindeverwaltung eine bestimmte Person für das Ausheben und Schließen des Grabes. Mit ist da noch der Name „Maiskönig“ in Erinnerung. Er wohnte im Armenhaus in der Ebersbacher Straße. Nach der Eingemeindung 1939 übernahm das städtische Friedhofsamt diese Aufgabe.
Seit 1927 gibt es in Schweinheim den Leichenwagen. Seitdem erübrigt sich das Tragen der Leichen zum Friedhof. Wenn vor dieser Zeit Nachbarn aus der gleichen Straße oder Ecke die Leiche zum Friedhof trugen ist das wohl denkbar. Denkbar ist aber auch, dass in unmittelbarer Nähe des Trauerhauses keine geeigneten Träger zu finden waren. Also, mussten andere Einwohner das Amt übernehmen.
Ich kann mir nicht erklären was eine Lichtfrau ist. Wenn diese Frau mit ihren vier Kreuzen um den Altar ging und die Kreuze dort als Opfergeld niederlegte, dann muss es sich um einen Brauch aus der Urzeit handeln. Was geschah dann mit den vielen Kreuzen bei etwa 100 toten Kindern und Erwachsenen im Jahr?
Dagegen war anbrennen des Wachsstockes ein Brauch den ich noch kennen gelernt habe. Dieser Wachsstock war ein etwa ein Meter langer, dünner Wachsfaden von etwa 10 mm Dicke, rund in eine schwarze Pappschachtel eingelegt und mit Pappdeckel verschlossen. Auf dem Deckel ein goldenes Kreuz eingeprägt, der Wachsstock die unangenehme Eigenschaft in der Schachtel zu verklumpen, was das Herausfuscheln des Anfangsteiles erschwerte und Wachsspuren an den Fingern hinterließ. Der Wachsstock wurde zum Requiem und zu Jahrtagen verstorbener Familienangehörigen und Bekannten angebrannt.
Heute noch brennen Gläubige eine (in unserer Kirche dünne) Kerze zum Gedächtnis an.
Also, ein Brauch der sich immer noch hält.