Gasthaus Oberle

August Oberle, Sohn der Eheleute Nikolaus und Elisabeth Oberle wurde am 17. Januar 1890 in Schweinheim geboren und verstarb am 4. Juli 1969. Vater Nikolaus Oberle, geboren am 26. September 1865, verstarb am 25. Juni 1905. Mutter Elisabeth, geb. Rickert, geboren am 21. März 1867, gestorben  am 15. März 1903.

Katharina Berta Elbert, war die Tochter von Lorenz und Margareta Elbert. Geboren am 2. Dezember 1893 verstarb sie am 9. August 1975. Katharina wurde seit ihres Lebens immer Berta gerufen und angesprochen.  Vater Lorenz Elbert war am 20. April 1865 geboren, gestorben am 17. Mai 1952. Mutter Margareta war eine geborene Helfrich, geboren am 1. März 1868 und ist gestorben am 1. Juli 1959.

Fam. Oberle

August Oberle und Katharina Berta Elbert heirateten am 3. April 1915. Nach ihrer Hochzeit war das Elberts Haus (Berta`s Elternhaus) in der Althohlstrasse Nr. 30 ihr zu Hause. Hier kamen auch ihre beiden Kinder, Tochter Margareta (Gretchen) geboren am 14. Oktober 1915 und Sohn Eugen, geboren am 22. April 1917, auf die Welt.
Mit der Zeit wurde der Wohnraum für die vier köpfige Familie zu klein. Im Garten vom Jakob Kempf kaufte August Oberle ein Grundstück in der damaligen Obernauer Straße 1a. Am 14. Juli 1924 begann August mit dem Bau eines einstöckigen Wohnhauses, das am 28. Januar 1926 fertig gestellt war. Von nun an war es das neue Domizil der Familie August und Berta Oberle.
Nach einem sonntäglichen Frühschoppen in der schon bereits bestandenen Gaststätte „Zur Gemütlichkeit“ von Nikolaus und Elisabeth Kern in der Obernauer Strasse Hs. Nr. 7, kam August nach Hause und teilte seiner Familie mit, dass der „Kern`s  Klos“ seine Wirtschaft verkaufen möchte.
Da August`s Ehefrau Berta nebenbei als Kellnerin/Bedienung arbeitete und somit die Familienkasse aufbesserte, schon immer eine Gastwirtschaft haben wollte, entschloss man sich, die Gaststätte vom Kern`s  Klos zu erwerben.
Darauf hin machten August Oberle und Kern`s  Klos ein Tauschgeschäft. Die Familie Kern bekam das Wohnhaus der Familie Oberle und August Oberle bekam dafür das Anwesen mit Wirtschaft, Wohnhaus, Scheune  und Stallungen.
Das Wohnhaus in dem Nikolaus und Elisabeth Kern gewohnt haben,  wurde 1878 als Sandsteinneubau mit Hochparterre und Kniestock von den Schweinheimer Eheleuten Jakob Schnatz und Anna-Maria, geborene Bonn, gebaut. Jakob Schnatz wurde am 18. Januar 1840 geboren und verstarb am 12. März 1885. Anna-Maria wurde am 18. September 1844 geboren und starb am 22. August 1914. Bevor eine Schankwirtschaft entstanden ist, wurde eine Gartenwirtschaft betrieben. Im südlichen Hofteil wurde 1908 vom Kern`s Klos eine Sommerwirtschaft angebaut. Danach entstand die vom Kern`s Klos betriebene Schankwirtschaft „Zur Gemütlichkeit“.
Zusätzlich bezahlte August Oberle an  Nikolaus Kern noch 9.000,-- Reichsmark. Somit gehörte das Anwesen samt der Gaststätte „Zur Gemütlichkeit“ der Familie August Oberle. Ab 1. Mai 1930 bekamen sie die Konzession für die Schankwirtschaft.
Nach der Eingemeindung am 1. April 1939 wurde die Obernauer Straße in Bischbergstraße umbenannt.
Der Eingang der Gaststätte war seitlich auf der Hofseite; man konnte nur über den Hof in die Gaststätte gelangen. Da dies sehr umständlich war, verlegte August Oberle den Wirtschaftseingang auf die Straßenseite.

Zur Gemütlichkeit

August Oberle war gelernter Zimmermann, später Zimmermeister und hatte dann auch ein eigenständiges Zimmereigeschäft. Tagsüber war er in seiner Zimmerei tätig und nach Feierabend betrieb er seine Schankwirtschaft. Ehefrau Berta und Tochter Gretchen unterstützten ihn dabei tatkräftig. Den Pferdestall, der mit im Wohnhaus rechts untergebracht war, stand Kern`s  Klos weiterhin zur Verfügung. Mit der Zeit löste er den Pferdestall auf. August Oberle machte dann eine Kelterei daraus. Versehen mit einer Apfelmahlmaschine (die Äpfel wurden zuerst gewaschen und dann gemahlen) und einer Hydraulischen Presse, die mit Wasserdruck bedient wurde. Eine Presse Apfelmaische gab ca. ein Hektoliter Apfelmost. Mit einer Handpumpe wurde der Most in die dafür vorgesehenen Holzfässer, die im so genannten „Ebbelwoi-Keller“ lagerten, gepumpt. Die Kelterei war eine reine Handarbeit. In der Gaststätte wurde nicht nur Schwind-Bier von der Schwindbräu-Brauerei ausgeschenkt, auch Wein und „Ebbelwoi“ löschten die durstigen Kehlen. Es wurde nicht nur für den eigenen Bedarf gekeltert, sondern auch die Schweinheimer Bevölkerung konnte hier ihre Äpfel zu Most pressen. Die Keltersaison begann Ende September und endete Mitte November. Im Jahre 1981 wurde die Kelter das letzte Mal in Betrieb genommen.  

Im „Ebbelwoikeller“ wurde früher auch das Bier gelagert. In einer Vertiefung von 2,30 mtr. Länge, 1,20 mtr. Breite und 1,50 mtr Tiefe wurde hier das gute Schweinheimer Schwindbier aufbewahrt. Zur Kühlhaltung brachten die Brauereifahrer immer einige Stangen Eis mit, das über die Bierfässer gelegt wurde.
Um an die Bierfässer zu gelangen, musste man eine Falltüre öffnen, eine fünf stufige Holzstiege hinunter steigen und dann das 30 Literfass hoch hieven und hinaus heben. Anschließend wurde das Holz-, bzw. das Alufass in die Wirtschaft rüber getragen. Es war schon eine ganz schöne Plagerei. Es konnte aber auch passieren, dass beim Anstechen des Fasses, einem das Bier in das Gesicht spritzte, weil das Bier beim herüber tragen etwas in Wallung geraten ist. Anfang der siebziger Jahre, wurde eine neue Schlachtküche mit zwei entsprechenden Lagerräume mit Kühlung gebaut.  

Da August Oberle sehr rührig war, baute er um 1930 an der Wirtschaftsküche und an das Anwesen vom Nachbarn Karl Wenzel entlang eine überdachte und witterungsunabhängige Asphaltkegelbahn mit zwei Bahnen. Es war die erste nennenswerte Kegelbahn in Schweinheim, die nicht nur für das private Gesellschaftskegeln benutzt wurde, auch der Kegelclub „Alle Neun“ Schweinheim trug hier seine sportlichen Kegelwettkämpfe aus.

Das Wohnhaus, das mit der Zeit für drei Familien zu klein wurde, baute  August Oberle entsprechend der Größenordnung/Aufstockung um.Am 12. Januar 1939 heiratete Tochter Gretchen den Schweinheimer Eduard Büttner, geboren am 26. August 1910 und verstorben am 21. Juli 1995. Bei Familie Büttner erblickten sechs Kinder das Licht der Welt.

Eugen und Hildegard Oberle

Als 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, wurde Sohn Eugen als Unteroffizier zur Wehrmacht einberufen. Mit einer Kriegstrauung heiratete Eugen Oberle  Hildegard (Hilde) Rickert, ein Schweinheimer Mädchen, das am 3. April 1921 geboren wurde. Sie war die Tochter der Eheleute Friedrich (Fried) und Elisabeth Rickert. Er geboren am 15. Juli 1887, gestorben am 3. Juli 1956. Sie war eine verw. Meister und geborene Krug, geboren am 16. August 1890 in Röthlein und gestorben am 18. Januar 1960 in Schweinheim.  
Im Jahr 1954 übergaben August 64 Jahre und Berta 61 Jahre alt, die Gaststätte an Sohn Eugen und dessen Ehefrau Hilde.
Am 1. Mai 1954 bekamen sie die Konzession für die Schankwirtschaft erteilt.
Eugen Oberle trat in die Fußstapfen seines Vaters August und meldete am 15. Januar 1951 ein Zimmereigeschäft an. Er hatte den Beruf des Zimmermanns erlernt und war mit bestandener Prüfung am 12. Mai 1949 „Zimmerer Handwerksmeister“

Schweinheimer Schützen
Im Jahr 1953/54 baute der Schweinheimer Schützenverein Sankt Sebastianus in eigener Regie und mit ausdrücklicher Genehmigung und Einverständnis von August Oberle auf dem familieneigenen Grundstück ein Schützenhaus mit einem Schießstand für Luftgewehr und Luftpistole. Das in Selbsthilfe erbaute Schützenhaus/Vereinsheim wurde unter tatkräftiger Mithilfe der Mitglieder dann 1962/63 entsprechend erweitert.
Es war somit allerhand geboten im Hause Oberle. Zimmereigeschäft – Gastwirtschaft – Kelterei – Kegelbahn und Schützenhaus, das heute im Jahr 2006 noch Bestand hat.
Eugen Oberle arbeitet tagsüber in seinem Zimmereigeschäft. Hilde verrichtete ihre Arbeit in der Gaststätte und im Garten. Eugen und Hilde bekamen zwei Töchter;  Helga, sie wurde am 19. Juli 1944 geboren und Maria, sie wurde am 10. Mai 1952 geboren. Helga heiratete am 19.Februar 1963 den Schweinheimer Gerhard Rickert, geboren am 8. September 1941. Maria heiratete am 8. Mai 1971 den “Althäiler Bu” Kurt Sauer, geboren am 10. Juni 1946.
Es war ein reiner Familienbetrieb. Mutter Hilde und ihre beiden Töchter waren in der Küche tätig und Vater Eugen war mit seinem Schwieger-sohn Gerdi für den Ausschank und Bedienen zuständig. Im Jahr 1969 kam dann noch der Ehemann von Maria dazu. Somit war das Sextett komplett.
Aus der Schankwirtschaft wurde im Laufe der Zeit ein sehr gutes und beliebtes Speiselokal.

Kolping Fastnacht 1951

Das Gasthaus „Zur Gemütlichkeit“ wurde zur Vereinsgaststätte vom Kegelverein „Alle Neun“ Schweinheim, der „Kolpingsfamilie“ und dem „Schützenverein Sankt Sebastianus“.
Es ging oft schon sehr unterhaltsam im Hause Oberle zu. Denkt man an: Die berühmten Kappenabende in der Faschingszeit beim Oberle. Da war als die „Bude“ gerammelt voll, wie man zu sagen pflegte. Am letzten Wochenende im November war die „Schwoijer Kerb“. Vereinsweihnachtsfeiern - Jahrgangsweihnachtsfeiern - Vereinskappenabende und Jahrgangstreffen sowie Geburtstagsfeiern wurden gerne in der „Gemütlichkeit“ abgehalten.
Der fidele Bauernstammtisch am Sonntagvormittag, als sich nach der Schülermesse die „Schwoijer Landwirte“ incl. die vom Elternhof ein Stelldichein beim Oberle gaben.

Schafskopfspieler

Die zahlreichen Schafkopfspiele/r sowie die privaten Kegelgruppen, wie z. B. „Die fröhlichen Siebzehn“, Aschaffenburger Ärzte, Kegelabende der Kolpingfamilie usw., die sich an verschiedenen Werktagen im Kegelstübchen einfanden und im sportlichen Wettstreit (z.B. Brezelkegeln) die Kugeln rollen zu lassen.Da es sich hierbei um keine vollautomatische Kegelbahn handelte, mussten die Kegel mit der Hand von Kegeljungen und Mädchen aufgestellt werden, die eigens dafür bestellt wurden. Als Lohn bekamen sie ein Wurstbrot oder ein paar Knobelinchen, eine Limonade oder auch zwei und entsprechendes Taschengeld noch dazu.

Schutznische
Die Schutznische der Kegeljungen/ -mädchen besteht noch heute

 Im Laufe der Zeit, als die vollautomatischen Kegelbahnen Einzug hielten, verlagerte 1969 der Kegelverein Alle Neun Schweinheim zuerst sein Domizil in das Kegelzentrum am Mainparksee, dann in die Schweinheimer TV-Turnhalle und dann in dass  BSC-Sportheim, da die alten Asphaltkegelbahnen nicht mehr den sportlichen Anforderungen gerecht waren. Auch der Schützenverein St. Sebastianus wurde immer größer. Da innerhalb geschlossener Ortschaften nicht mit scharfer Munition geschossen werden durfte, verlagerte man Vereinsheim und Schiessstände auf den Stengerts im nahe gelegenen und still gelegten Steinbruch der Fa. Höllein.
Die Gaststätte „Zur Gemütlichkeit“ wurde durch sehr gute Speisen und Getränke sowie der günstigen Preise immer beliebter. Nicht nur die Schweinheimer Leute sondern auch Gäste von Stadt und Land (aus Gailbach, Haibach, Hösbach, Mainaschaff, Obernau etc.) wussten dies zu schätzen und hielten gerne Einkehr. Man hat sich dort heimisch und wohl gefühlt. Hier kann man gerne an das Lied von Peter Alexander denken, wo es heißt: „Die kleine Kneipe in unserer Straße, da wo das Leben noch lebenswert ist .....“
Da erzählte einmal eine Schweinheimerin, dass ihre Mutter die ganze Woche krank war. Aber am Sonntag lies es sich die kranke Mutter aber nicht nehmen, mit ihren fünf Altersgenossinen zum „Oberle“ zu gehen. Zitat: Was für ein Kleid kann ich denn zum Oberle anziehen; man musste ja schick aussehen, wenn man zum sonntäglichen Plausch ging. Zitat Ende: Die Anziehungskraft war nach wie vor ununterbrochen.
Reinlichkeit und Sauberkeit waren bei Hilde Priorität. Vor allem legte sie auch sehr großen Wert auf erstklassische Ware, die sie ihren Gästen anzubieten pflegte. Hildes zarte Rumsteaks, die knusprigen Hähnchen, ihr hausgemachtes Hackbeaf, die Hausmacher Bratwürste sowie die Hausmacher Wurst, waren das Markenzeichen der Gaststätte „Zur Gemütlichkeit“. Nicht zu vergessen die hauseigenen Schlachttage, die einmal im Monat stattfanden.
Im Ausschank gab es das Schweinheimer Schwindbier und den selbst gekelterten „Ebbelwoi“. Darüber hinaus gab es auch andere alkoholische und nicht alkoholische Getränke.

Nach achtundzwanzig (28) Jahren haben Eugen und Hilde Oberle ihre gastwirtschaftlichen Tätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen und altersbedingt aufgegeben. Am 1. Mai 1982 waren dann die Türen für immer verschlossen. „Der Eugen und die Hilde haben ihre Wirtschaft zugemacht“. So mussten die Schweinheimer von dem „urigen Lokal“ Abschied nehmen. Nicht nur für die Schweinheimer Bevölkerung, sondern auch für die Gäste aus nah und fern war es ein schmerzlicher Verlust. „Warum macht ihr denn zu, es war doch immer so schön bei Euch ?“ Die Gaststätte „Zur Gemütlichkeit“ gehört nun der Vergangenheit an. Viele Leute trauern noch heute diesem urigen Lokal mit dem „längsten Ofenrohr“ nach. Man schwelgt heute noch in Nostalgie, wenn man an die guten und alten Zeiten beim „Oberle“ denkt. An die vielen Stammtischsprüche die geklopft wurden, dass sich die Balken gebogen haben. Oder mancher ist nach seinem täglichen Schoppen nach Hause gegangen mit einem Stück Briketts oder einem Ziegelstein(Backstein) in seiner Arbeitstasche. Amüsant ging es zu, wenn sich die Schafskopfspieler wegen einem Pfennig in die Haare soweit vorhanden kamen.
Wie sagte ein Stammtisch-Landwirt, als er am Sonntagabend von seinem Frühschoppen nach Hause ging: „Was woars heit wirrer sou schäj beim Oberle .... Es woarn alle Sorte Leit beim Euscheen (Eugen)“. Die beiden Töchter Helga und Maria mit ihren Ehegatten konnten aus beruflichen Gründen die Gaststätte „Zur Gemütlichkeit“ nicht weiterführen. Im Mai 1989 wurde die Gaststätte abgerissen. Sie fiel der Spitzhacke zum Opfer.
Die Gaststätte „Zur Gemütlichkeit“ sollte somit nach zweiundfünfzig Jahren „O b e r l e“ in guter Erinnerung bleiben. Sie war und ist ein Stück Schweinheimer Geschichte.
Eugen Oberle verstarb am 10. Februar 1993.

Schweinheim, im Oktober 2006 Kurt  S A U E R, HuGV